18. November / Tag 32
Bis Mittag mache ich heute einfach ‚mal gar nichts. Das Tempo, in dem hier ständig neue Eindrücke auf mich „einstürzen“, ist schon ziemlich hoch… selbst noch nach all der Zeit, die ich jetzt schon hier bin. Und heute ist das immerhin schon ein Monat – am 18. Oktober habe ich mich auf den Weg zum Flughafen gemacht.
Jodhpur – mein momentaner Aufenthaltsort mit immerhin 850.000 Einwohnern – nennt man auch die „Stadt des Lichts“ – wegen des Licht- und Farbenspiels auf den vielen hellblauen Häusern. Durch diesen Farbton sollen die Mücken vertrieben werden… ob’s funktioniert, dazu kann ich jedoch nichts weiter berichten.

Den Nachmittag widme ich ausgiebig dem Meherangath-Fort, das in Rajasthan als das wohl populärste gilt – schon aufgrund seiner eindrucksvollen Lage auf einem Bergrücken, wo es oberhalb der Stadt „thront“. Wie üblich ist das ganze museal aufbereitet – man zeigt typische Gerätschaften des Alltags, Möbel, Waffen etc. aus der Zeit. Und hier kann man wirklich behaupten, dass diese Präsentation gut gelungen ist… was leider nicht auf alle Ausstellungen in den Forts Rajasthans zutrifft. Es gibt sogar einen Audioguide auf Deutsch! Der Sprecher kann seinen englischen Akzent jedoch nicht verbergen… mich erinnert die Aussprache etwas an Chris Howland… wer den noch kennt von Euch. Dieser Rudi-Carell-Effekt gibt der ganzen Geschichte aber auch einen gewissen Charme. Mein Urteil: Auf jeden Fall ein lohnenswerter Besuch. Auch der fantastische Ausblick über Jodhpur lohnt definitiv den „Aufstieg“.

Gegen 17:30 Uhr folgt dann unser Aufbruch nach Ranakpur: Vor uns liegen ca. 170 km Wegstrecke und etwa vier Stunden Fahrt. Die Straße ist bis zur Hälfte gut ausgebaut… jedoch führen ungefähr die letzten 45 Kilometer „durch den Busch“… und die Fahrbahn hat auch eine entsprechend abenteuerliche Qualität.
In der Dunkelheit mit dem Auto unterwegs zu sein, hat hier in Indien schon einen ganz besonderen „Charme“… um es mal so positiv wie möglich auszudrücken… und ist auf jeden Fall nichts für schwache Nerven! Der „Überhol-Wahnsinn“, der hier ja schon tagsüber stattfindet, bekommt dann durch die Dunkelheit noch einen zusätzlichen „Schwierigkeitsgrad“! Wenn die Lichter der Scheinwerfer im Dunkel aufeinander „zurasen“ und im allerletzten Augenblick wieder zurück in die eigene Fahrspur gezogen wird… das ist schon ein „Erlebnis“ der ganz besonderen Art! Ich habe zumindest einige Male fast das Bodenblech durchgetreten… oder mich dann direkt für’s Wegschauen entschieden… auch wenn die gefahrenen Geschwindigkeiten nicht wirklich so hoch sind! Weiter gehe ich jetzt mal nicht ins Detail… Aber um Euch zu beruhigen: Radhey ist ein wirklich routinierter Fahrer und es gab bisher keine Situation, die er nicht unter Kontrolle gehabt hätte. Aber als „Westler“ wäre man hier im Straßenverkehr als Selbst-Fahrer hoffnungslos verloren… da ist einerseits sicherlich die fehlende Übung in diesem Verkehrschaos, andererseits wahrscheinlich aber auch das fehlende, hier tief verwurzelte religiöse Vertrauen darauf auf jeden Fall wiedergeboren zu werden. Das lässt einen den Tag auf der Straße vielleicht etwas unbefangener angehen.

Gegen 23:00 Uhr erreichen wir das Städtchen Ranakpur, das ohne den Chaumukh-Tempel heute sicherlich keinerlei Beachtung erfahren würde. Aber mit dem Jain-Heiligtum darf man immerhin eine UNESCO-Weltkulturerbestätte „sein eigen nennen“ (Die Jain-Religion ist eine Abspaltung vom Hinduismus, die sich u.a. durch völligen Gewaltverzicht definiert). Und so strömen die Touristen- und Pilgerscharen zu Tausenden in das kleine Örtchen.
Doch unser „Problem des Abends“ ist dann ganz anderer Natur: Die halbe Nation scheint heute Abend ihre Hochzeitsfeier abzuhalten und hat für Kind und Kegel alle Hotels im Umkreis gebucht. Nach dem dritten, ausgebuchten Hotel, in dem uns der Chef freundlicherweise anbietet, im Hotel-Restaurant zu schlafen, weil der Raum für die Fahrer auch schon „bis unter die Decke“ voll ist – von freien Zimmern ‚mal ganz zu schweigen – finden wir dann im sechsten Anlauf doch noch in einem Guesthouse ein Zimmer für mich. Radhey schläft auf der Dachterrasse unter freiem Himmel – in Ermangelung eines weiteren freien Zimmers für ihn. Und weil der Eigentümer natürlich sofort verstanden hat, in welcher Situation wir uns befinden, verlangt er für seine „Gastfreundschaft“ dann auch noch stolze 550Rs. (8 Euro) – aber welche Alternative gibt es für uns noch? Ich bin „hundemüde“, packe nur noch das Nötigste aus meinem Rucksack aus und gehe schlafen. Mal wieder geschafft – der Tag… und ich auch!
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